Inhaltsverzeichnis Kurzgeschichten / Weihnachtsgeschichten

MolochDas Geistchen der Weihnacht

Es waren nur noch wenige Tage bis zum Heiligen Abend.
Im Wihenforst hatte der Förster die gut gefüllten Krippen aufgestellt. Die sonst munteren Bäche schlummerten unter silbernem Eis und die Äste der Tannen und Bäume lagen unter einer Schneedecke. Es hatte wieder angefangen zu schneien. Dicke Flocken taumelten sanft zur Erde.
Tim Vollmer genoss die Stille und wanderte durch den knirschenden Schnee, als er plötzlich ein Zischen hörte. Unwillkürlich zog er den Kopf ein, als etwas mit wahnsinniger Geschwindigkeit durch die Luft sauste, ihn knapp verfehlte und in einer Schneewehe direkt vor ihm einschlug, fast wie ein Meteorit.
Pulverschnee wurde aufgewirbelt und hüllte Tim ein wie ein Mottenschwarm. Ein paar Vögel flatterten erschrocken aus dem Dickicht und flogen schimpfend davon.

Verwirrt schaute Tim um sich. Einen Moment lang glaubte er, dass jemand einen Schneeball nach ihm geworfen hatte, aber nein, dafür war es viel zu schnell gewesen und zu hart gelandet ... mehr
Das WeihnachtskarussellDas Weihnachtskarussell
An einem Abend im Dezember schneite es dicke Flocken. Bald war alles mit Schnee überzogen, auch die Holzbuden und die Dächer über den Fahrgeschäften auf dem Weihnachtsmarkt. Alles sah gleich ein bisschen mehr nach Weihnachten aus und die Leute freuten sich über die weiße Pracht.
Das alte Holzkarussell stand im hintersten Winkel des Weihnachtsmarktes, und wurde von einem großen, hellerleuchteten Tannenbaum fast verdeckt.
Die meisten Menschen eilten daran vorbei, ohne einen Blick darauf zu werfen. Sie wollten lieber zu den modernen Fahrgeschäften, den Verkaufsständen und den Essbuden.
Aber das machte dem alten Mann, dem das Karussell gehörte, nichts aus. Das waren nicht die richtigen Leute für sein Karussell! Er wartete auf ganz besondere Fahrgäste. Liebevoll polierte er mit einem weichen Tuch die bemalten Holzfiguren, die auf den runden Boden montiert waren: ein Hirsch, ein Reh, ein großer und ein kleiner Esel, ein Schlitten, der von einem Rentier gezogen wurde, und zwei Kamele. Mehr Figuren gab es nicht, denn es war nur ein kleines Karussell.
„Das ist schön! Wie im Märchen“, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihm.
Der alte Mann lächelte. Da standen drei Mädchen, jedes mit einem roten Zuckerapfel in der Hand, und schauten mit strahlenden Augen auf das Karussell.„Ja, das stimmt“, antwortete er. „Und es ist ganz außergewöhnlich! Allerdings kann immer nur ein Kind damit fahren, wenn es erleben will, was für ein besonderes Karussell das ist. Man braucht schon ein wenig Mut dazu!“ ... mehr
MolochDer Engel im Heuhaufen

Eigentlich fand Jonas, dass Fyn zu nichts zu gebrauchen war.
Er hatte eine Glatze. Außerdem lag er nur da und schlief. Oder schrie. Flugs kam Mama angelaufen, nahm Fyn aus dem Bettchen und drückte ihn Jonas in den Arm. Und dann passierte was Komisches: Das Baby griff nach Jonas Nase und lachte laut und zufrieden. Wenn er lachte, meinte Jonas, dass Fyn doch ein ganz besonderes Brüderchen  sei, weil das Gejauchze ihn froh machte.
 „Ein Glück, dass ich dich habe, mein Großer“, sagte Mama in solchen Momenten und strich ihm über den Kopf. „Du bist ein toller Bruder und Fyn spürt das.“
Jonas wurde jedes Mal ganz warm ums Herz, wenn Mama das sagte. Er fühlte, dass er Fyn richtig lieb hatte. Auch wenn der Kleine eigentlich zu nichts zu gebrauchen war und er nicht mit ihm spielen konnte. Aber dafür hatte er ja Christopher, seinen allerbesten Freund. „Bekommt Fyn auch ein Weihnachtsgeschenk?“, fragte Christopher, als er Jonas zur Schule abholte. „Ich meine, weil er doch noch so klein ist.“ Jonas nickte. „Natürlich“, antwortete er und zog seine warme Jacke an. „Alle Kinder bekommen Weihnachtsgeschenke.“
Heute machten sich die Freunde etwas eher auf den Schulweg, denn in der Nacht hatte es geschneit und sie wollten sich mit Schneebällen bewerfen. ... mehr

MolochDie Krippe

„Hör dir das an!“ Martin raschelte beim Frühstück aufgebracht mit der Zeitung: „Weihnachtsmenüs für Vierbeiner!“
Sabrina bemühte sich eine bestürzte Miene aufzusetzen.
„Vierbeiner!“, wiederholte er. „Sind Adventskalender für Haustiere nicht genug? Nein! Jetzt gibt es Kittyfit Festtagsmenü für die Katze, und Doggybells, das Festmahl für den Hund!“
„Bekommt Gandalf auch Kittyfit?“, fragte Tom hoffnungsvoll.
Martin betrachtete missbilligend den übergewichtigen Kater. „Selbstverständlich nicht!“, erklärte er. „Solche Albernheiten kommen mir nicht ins Haus! Überhaupt habe ich genug von dem Affentheater. An Weihnachten geht es doch nur noch um den Konsum.“
„Was ist Konsum, Paps?“
„Kaufen. Viel kaufen. Zu viel. Dinge, die man eigentlich nicht braucht. Alles dreht sich im Grunde ums Fressen …“
„Fressen sagt man nicht, Paps.“
„ ... ums Futtern und Trinken. Sankt Nikolaus wird zum Werbegag und Leuchtreklame dient als besinnliche Beleuchtung! Aber in meinem Haus soll es das nicht länger geben!“ Zur Bekräftigung schlug er mit der Faust auf den Tisch, sodass die vier Kerzenflammen im Adventsgesteck zuckten und Toms Orangensaft überschwappte.
„Ist das gut, wenn es das bei uns nicht mehr gibt?“, fragte Tom und malte mit dem Finger im Saft herum.
„Quatsch ist das“, erklärte seine Mutter, „ein Riesenquatsch. Paps steigert sich da in was rein.“
„Von wegen!“, rief Martin. „Mein Geld gebe ich lieber für einen Urlaub aus. Ab in die Sonne bei dem trüben Wetter! Jawohl, wir fliegen Lastminute auf die Kanaren!“
Sabrina schüttelte den Kopf.
„Mama, findet das Christkind Kanarien?“
„Natürlich, es ist schließlich das Christkind!“
„Kommt es auch dorthin, um mir Geschenke zu bringen?“
„Nein!“, erklärte Martin mit Bestimmtheit. „Es wird nicht auf die Kanaren kommen. Stattdessen werden wir am Strand Burgen bauen und Seeräuberschätze suchen!“
Tom fing an zu heulen. „Ich will aber das Christkind!“
„Du bekommst Sonnenschein und Piratenspiele, mein Sohn. Es wird dir gefallen!“ Martin hatte sich so richtig in Begeisterung geredet.
Tom sprang auf: „Aber übermorgen hat das Christkind Geburtstag. Es will, dass wir alle froh sind, nicht nur du.“ Er schniefte und schmiegte sich Trost suchend an seine Mutter.
„Jetzt habe ich aber genug von dem Unsinn. Hör zu Tom, es gibt gar kein …“
„Sei still“, fiel Sabrina ihm ins Wort. „Erstens übertreibst du maßlos, und zweitens kommst du zu spät ins Büro. Also beeil dich.“... mehr