Inhaltsverzeichnis Kurzgeschichten / Spannung

Dezemberliebe

Es traf mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Zwei Tage vor Nikolaus, mitten im Supermarkt.
Ich wollte nach Feierabend ein paar Kleinigkeiten einkaufen und überlegte gerade, was ich mir zum Abendessen gönnen könnte – da sah ich ihn.
Er stand beim Weihnachtsgebäck, zu schön, um wahr zu sein, und allein seine Größe wirkte auf mich wie ein Magnet.
Ich konnte die Augen einfach nicht von ihm lassen! Wie zufällig schob ich meinen Einkaufswagen einige Male an ihm vorbei.
Der perfekt geformte Körper, dieses Lächeln auf seinem Gesicht und seine dunklen Augen unter der Mütze machten ihn für mich noch attraktiver.
„Ein echtes Prachtexemplar“, dachte ich nervös, und bei dem Gedanken, was ich am liebsten sofort mit ihm angestellt hätte, spürte ich dieses Kribbeln im Bauch, als wenn ein Schwarm wilder Hummeln darin herumschwirren würde.
Immer wieder starrte ich ihn verstohlen an. Ich wollte ihn so gern berühren. Nur berühren. Es würde sich anfühlen, als wäre ich im Himmel, da war ich mir sicher.
„Er könnte mir den Abend versüßen.“ Bei dem Gedanken zitterten meine Hände vor unterdrücktem Verlangen - Sekunden später stand ich mit wild pochendem Herzen vor ihm.

Eilig verließ ich den Supermarkt, und obwohl es sonst nicht meine Art ist – wirklich nicht! - nahm ich ihn mit nach Hause. „Eine Frau in deinem Alter“, dachte ich. „Einfach lächerlich!“ Doch das letzte Mal war schon so lange her und meine Lust war einfach stärker.
Zuhause ließ ich ihn im Wohnzimmer zurück, während ich in etwas Bequemeres schlüpfen wollte. Ich schloss die Schlafzimmertür, zog mich aus, stellte mich nackt vor den Spiegel und betrachtete kritisch meine Figur.
„Sabine, noch ist Zeit für ein Nein“, sagte ich mir. Ich wusste, es wäre ein allzu kurzes Vergnügen und danach würde ich es bereuen.
„Na ja, es muss ja nicht zum Äußersten kommen“, versuchte ich mich zu beruhigen und zog mir meinen Seidenkimono über.

Im Wohnzimmer schenkte ich Portwein ein und nahm einen Schluck. Dann  entzündete eine der dicken roten Kerzen auf dem Adventskranz und knipste das Licht aus.
Die tanzende Flamme verbreitete ihr anheimelndes Licht. Es duftete nach Tannengrün, Kerzenwachs, Wein und nach ihm.
Unter halb geschlossenen Lidern warf ich ihm einen Blick zu. Langsam ließ ich mich mit ihm auf das Sofa sinken. Wie von selbst glitt meine Hand über seine Konturen.
Sein lächelndes Gesicht schien mich geradezu einzuladen. Ich spürte, wie sein fester Körper unter meinen warmen Händen nachgiebig wurde, und zupfte an seinem karminroten Oberteil. Nicht viel, nur ganz wenig, gerade so, dass es ein bisschen auseinanderklaffte.
Forschend berührte ich die Stelle mit meinen Lippen, sog seinen Geruch tief ein und schloss vor Wonne die Augen. Mit der Zungenspitze fuhr ich über seine glatte Bräune und dieser Geschmack vertrieb die letzten Hemmungen. Ein Knistern erfüllte die Luft und ehe ich es mich versah, lag er hüllenlos vor mir.
Ich stöhnte auf. „Du bist so süß“, flüsterte ich. „Unwiderstehlich.“ Nichts
konnte jetzt noch verhindern, dass ich ihn nach allen Regeln der Kunst vernaschte.

Später strich ich reumütig die zerknitterte, rote Alufolie glatt, in die der Schokoladennikolaus eingewickelt gewesen war. 450 Gramm hatte der Bursche gewogen. Satte 450 Gramm zartschmelzende Vollmilchschokolade - ein Nikolaus wie aus dem Bilderbuch. Kein Wunder, dass ich ihn zum Fressen gern gehabt hatte.