Inhaltsverzeichnis Kurzgeschichten / Schmunzeleffekt

MärchenprinzMärchenprinz

Ingo, das Schwein, zog aus.
Lilith stand am Fenster, kaute an den Fingernägeln und beobachtete, wie er sein Hab und Gut in seinem Auto verstaute.
Drei große Pappkartons und zwei Koffer. Sie hatte ihm beim Tragen geholfen. Es waren dieselben Kartons und Koffer, mit denen er vor nicht ganz vier Jahren bei ihr eingezogen war.
Die Kartons hatte er nie ausgeräumt. Doch Lilith wusste trotzdem, was für “Schätze“ sie bargen: alte Schallplatten, CDs, Fotoalben die angefüllt waren mit Fotografien von Leuten, die sie nie kennen gelernt hatte. Zeugnisse, Briefe, alberne kleine Erinnerungstücke. Jede Menge Kram - das war alles, was sie bei ihren heimlichen Stöbereien gefunden hatte.
Jetzt sah er mit schuldbewusstem Blick zu ihr hoch und winkte ihr kurz zu. Lilith wandte sich ab, ohne die Geste zu erwidern.
Sie ging ins Bad. Ingo, das Schwein, war noch einmal zur Toilette gegangen, bevor er aus ihrem Leben  verschwand. Lilith würde wetten, dass er sich nicht die Mühe gemacht hatte, die Klobrille runterzuklappen. Genauso war es!
Sie seufzte und betrachtete ihr Gesicht in dem Spiegel über dem Waschbecken. Ein ganz normales Gesicht: nicht hässlich, nicht übermäßig schön, mit einer etwas zu großen Nase. Dafür hatte sie schöne, graue Augen. Ihr brünettes Haar war lang und dicht. Sie war schlank, sportlich und von durchschnittlicher Größe. alles in allem recht hübsch.
Trotzdem war sie nicht gut genug für ihn gewesen. Ingo, das Schwein, hatte sie betrogen. Mit seiner Arbeitskollegin. Heute würde er bei dieser Kollegin, mehr nicht – ich schwör`s! einziehen. Mit drei großen Pappkartons und zwei Koffern.
Liliths Freundinnen hatten Ingo von Anfang an nicht gemocht. Für Maria und Julia war er ziemlich schnell Ingo, das Schwein, gewesen. Und sie hatten Recht behalten!
Genauso wie bei Bernd.                                                
Oder Peter.
Und bei Ralf auch.
Lilith drehte das kalte Wasser auf, und wusch sich hastig das Gesicht, um den aufsteigenden Tränen keine Chance zu geben. Was machte sie nur falsch?
Maria hätte bei dieser Frage lachend ihre schwarze, lockige Mähne geschüttelt und mit ihrem italienischen Akzent erklärt, dass der Fehler bei den Männern lag. Bei wem sonst? Egoistisch und treulos. So waren sie nun einmal, die Herren der Schöpfung. Daran würde sich auch nie etwas ändern! WEITER
Die zarte, blonde Julia hätte mit den Schultern gezuckt und behauptet, dass Lilith eben noch nicht den richtigen Seelenpartner gefunden hatte. Ohne den würde es auf Dauer gar nicht funktionieren! Eines Tages wäre es sicher auch bei Lilith so weit. Dann würde auch sie ihrem Märchenprinzen begegnen.
Ha! Märchenprinz!
Die zwei hatten gut reden! Maria genoss es, ein umschwärmter Single zu sein, und die romantische Julia war seit 15 Jahren mit ihrer Jugendliebe Frank zusammen und seit kurzem verheiratet. Im Mai erwarteten sie ihr erstes Kind.
Lilith trocknete ihr Gesicht ab und setzte sich auf den Wannenrand.
Anfangs hatte sie gerne mit Ingo zusammengelebt. Im Laufe der Zeit jedoch fand sie ihn immer nervenaufreibender. Und weniger märchenprinzlich.
Ingo war schlampig. Er hatte in den gemeinsamen Jahren nicht begreifen wollen, dass schmutzige Wäsche in den Wäschekorb gehörte und nicht auf den Fußboden des Schlafzimmers. Seine Handtücher hingen stets feucht und zerknüllt über dem Waschbecken, ganz zu schweigen von den Bartstoppeln darin. Außerdem verteilte er in der ganzen Wohnung benutztes Geschirr und volle Aschenbecher.
Ihr Meckern brachte gar nichts. Im Gegenteil: Ingo behauptete, sie wäre ständig schlecht gelaunt. Und zickig. Oder er wollte wissen, ob sie schon wieder ihre Tage bekäme!
Daraufhin hatte sie ihre Taktik geändert, und versucht, ihm ruhig zu erklären, dass sie beide gleichermaßen für den Haushalt verantwortlich seien. Doch auch das funktionierte nicht, denn sobald sie dieses Thema auch nur anschnitt, ging Ingo in die Luft wie ein Feuerwerkskörper.
Sie hatte es so satt gehabt!
Um ihre Ruhe zu haben, erledigte sie alles selbst: Müll rausbringen, die Wäsche, das Einkaufen - einfach alles. Und sie war deswegen oft gereizt. Schließlich war ihr Job als Hotelfachfrau häufig mit Stress verbunden, und sie war nach Feierabend genauso müde wie der große Banker Ingo.
Aber vielleicht hatte Ingo doch Recht und sie war einfach nicht zu einer festen Bindung fähig. Konnte es sein, dass sie wirklich zu eifersüchtig war, wenn er andere Frauen anstarrte? Stimmte es, dass sie Komplexe hatte, weil er ihre Brüste zu klein fand? Stellte sie sich tatsächlich an, wenn sie sagte, dass sie ihn nicht länger bedienen wollte? Musste sie ihm so deutlich zeigen, dass er sich gehen ließ, wenn er in ihrer Gegenwart laut rülpste oder furzte?
Lilith wusste, dass das alles typisch für Ingo war. Und Bernd. Auch für Peter. Und Ralf. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass das auf alle Männer zutraf!
Und dann, nach fast jedem Streit, die Versöhnung im Bett! Während Ingo versuchte seinen Adrenalinspiegel und die Anspannung durch Sex schnell abzubauen, konnte Lilith ihre Gefühle nicht so rasch ins Gegenteil verkehren. Auch etwas, das Ingo nie verstanden hatte.
Dabei war er ansonsten unromantisch und einfallslos im Bett! Die letzten Wochen ihrer Beziehung hatte er sich nicht mehr viel Mühe gegeben. Sie hatten nur noch selten miteinander geschlafen. Wenn er fertig war, dann war er fertig. Ziemlich schnell. Und müde.
Einmal, als er danach schnarchend neben Lilith lag, hatte sie sich an ein Gedicht erinnert, dass sie am Morgen in einer Zeitschrift gelesen hatte. Leise war sie aufgestanden, hatte es ausgeschnitten und im Bad auf seine Seite des Spiegels geklebt:

Ein Fremder lebt in unserem Haus
ein Fremder mit deinem Gesicht
der sich bewegt wie du
und der auch so spricht
doch ich weiß; Du bist es nicht
Er sagt was zu mir -
doch redet er nicht
Er schaut mich an -
doch sieht er mich nicht
Er hört, was ich sage -
doch versteht er mich nicht
Manchmal umarmt der Fremde mich
aber er berührt mich nicht
Nachts erwache ich
und betrachte
den schlafenden Fremden
mit deinem Gesicht
und überlege,
was mit dir geschehen ist?
Dann spüre ich,
dass du mir fehlst
und ich vermisse dich
denn ich liebe dich
Dich!
Aber nicht
den Fremden mit deinem Gesicht

Er hatte wohl nicht begriffen, was sie ihm sagen wollte, und nie ein Wort darüber verloren. Sechs Tage später vergaß er ihren Jahrestag. Da ahnte sie, dass es eine andere Frau gab.
Lilith betrachtete ihre malträtierten Fingernägel und knabberte am rechten Daumennagel weiter. Er war nicht ihre erste Enttäuschung. Aber sie hatte sich geschworen, dass er die letzte sein würde.
„Diesmal habe ich den Schlüssel“, flüsterte Lilith vor sich hin. „Ich werde meinen Seelenpartner finden und nicht mehr allein sein. Diesmal kann es einfach nicht schief gehen!“ Sie würde nichts mehr dem Zufall, der Disco oder einer Partnervermittlung überlassen. Nicht dieses Mal! Sie wusste genau, was sie zu tun hatte.
Hastig stand sie auf und ging ins Schlafzimmer.
Auf der Tagesdecke hatte sich ihr grauer Kater Gandalf zusammengerollt und schlief. Sie streichelte ihm zart über den runden Kopf. „Du bist ein ganz lieber Kerl. Ingo sollte sich eine dicke Scheibe von dir abschneiden“, murmelte sie zärtlich. Gandalf schnurrte bestätigend und sah dann neugierig zu, wie Lilith halb unter dem Bett verschwand.
Als sie wieder auftauchte, hielt sie ein dunkles, hölzernes Kistchen in den Händen. Sie trug es in das Esszimmer und stellte es so vorsichtig auf den alten Holztisch, als enthielte es eine Ladung Sprengstoff. Behutsam öffnete sie den Deckel und fand darin alles genau so vor, wie sie es zurückgelassen hatte.
Ein schlichtes, nachtblaues Buch. Kein Autor, keine Zusammenfassung des Inhaltes auf der Rückseite. Nur der Titel, der in altertümlichen, silbernen Lettern tief in das Leder geprägt war:

MAGIE

Lilith spürte, wie eine Gänsehaut ihren Körper überzog. Sie schlug mit leicht zitternden Händen das Buch auf und las die schnörkelige, handschriftliche Widmung. In schwarzer Tinte stand auf der vergilbten Seite:

Für Erberia Stregone, meine geliebte Schwester im Geiste
Vergiss nie:
Magie ist die Kunst, die Wirklichkeit kraft des Willens zu verändern.
Auch Deines Willens!
Zur Erinnerung an unsere gemeinsame, unvergessliche Zeit im Konvent.
Es wa r... zauberhaft.
Maga Hess

Kein Datum, keine Ortsangabe.
Sie blätterte weiter und fand die Stelle mit dem warnenden Hinweis in der gleichen Handschrift:

Bevor Du Riten rezitierst, bedenke immer, dass einige aus dem verbotenem Necronomicon stammen! Verliere nie Deine Konzentration!

Je öfter Lilith die Zeilen las, desto größer wurde ihre Neugier auf diese Frauen! Die wenigen Worte hatten wohl nur für diese zwei Menschen eine Bedeutung. Für niemanden sonst. Wer waren sie? Von welchem Konvent war die Rede? Lebten sie überhaupt noch? Ein Konvent. Schwestern im Geiste. Möglicherweise ein Kloster? Vermutlich waren sie Nonnen gewesen. Vielleicht hatten sie aus Langeweile verbotene Lektüre gelesen?
Mit eiskalten Händen nahm sie einen farblosen Klumpen Wachs aus dem Kästchen, den sie in einem Geschäft mit dem seltsamen Namen TUNRIDHA für 5,00 Euro gekauft hatte. Es hatte Lilith erstaunt, dass es Läden gab, die mit Hexenutensilien, Kräutern und Voodoo-Artikeln handelten, als wären es Süßigkeiten.
Die Verkäuferin und vermutlich auch Inhaberin hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als Lilith das Hexen-Wachs auf den Tresen legte. Dazu eine Räucherschale und das Bündel Venus-Weihrauch. Sie hatte weder bei der langen Nadel aus reinem Silber, noch bei dem Amulett in Form eines Pentagramms das Gesicht verzogen. Bei dem rituellen Dolch und dem silbernen Runen-Kelch hatte sie sogar anerkennend Liliths gutes Auge für magisches Zubehör gelobt!
Lächelnd hatte die Frau die Einkäufe in eine unscheinbare Jutetasche gepackt, das Wechselgeld herausgesucht und beides über den Verkaufstisch gereicht. Dabei hatte sie ihr freundlich ein schönes Wochenende und viel Erfolg gewünscht.
Lilith erinnerte sich noch genau an das beklemmende Gefühl , als sie das Geschäft wieder verließ. Allein - mit einer Tasche voll Zauberzeug. Und nun saß sie hier vor diesen magischen Hilfsmitteln, die sie benötigte, um das Ritual durchzuführen.
Sie schaute ungeduldig auf die Uhr. Maria und Julia mussten jeden Moment eintreffen. Sie blätterte weiter, bis sie die richtige Seite aufgeschlagen hatte. Es war alles ganz genau aufgeführt. Der Schlüssel zu ihrem Glück lag vor ihr. Davon war sie fest überzeugt!
Lilith hatte das Buch zufällig auf einem Trödelmarkt entdeckt. Versteckt zwischen einer alten, leinengebundenen Ausgabe von Onkel Toms Hütte und der Forsyte Saga lag es da, als wartete es auf sie. Als Lilith es in ihren Händen hielt, hatte sie nicht widerstehen können. Sie liebte alte Dinge und Kuriositäten! Das Buch war zu verlockend und sie hatte es kurzerhand gekauft.
Es standen unheimliche Begebenheiten, Rezepte für magische Tinkturen und Anleitungen zur Herstellung von Zauberspiegeln sowie Zauberstäben darin. Ebenso magische Bannsprüche und  geheimnisvolle Zaubersprüche. Und die Anleitung zur Anrufung von Toten. Lilith erschauderte und legte es in die kleine Truhe zurück.
Es klingelte an der Tür und sie fuhr erschrocken zusammen. Das mussten Maria und Julia sein! Sie betätigte den Türöffner und fragte sich, was ihre besten Freundinnen wohl zu ihrem Vorhaben sagen würden?
Maria umarmte sie und murmelte tröstende Worte: „Mein armer Liebling. Ist er endlich weg? Du hast einen Besseren verdient, Bellissima!“
Julia schob sich mit ihrem Babybauch herein und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Maria hat Recht! Vergiss ihn. Jetzt!  Und nun verrate uns endlich das große Geheimnis, von dem du am Telefon gesprochen hast. Ich sterbe vor Neugierde!“
„Kommt mit ins Esszimmer.“
Sie setzten sich an den Tisch und Lilith öffnete erneut das Kästchen.
„Ein Buch? Na toll!”, meinte Julia enttäuscht.
„Sieh es dir doch erst einmal an!“
Maria war schneller und schnappte es sich. „Magie? Ein Zauberbuch?“,fragte sie ungläubig, „soll das ein Scherz sein?“
„Gib her.“ Julia nahm sich das Buch.
„Woher hast du das? Aus einem Antiquitätenladen?“ Sie schnupperte daran, und fragte sich, woher sie den Geruch kannte. Dann fiel es ihr ein: „Es riecht nach Weihrauch. Wie in der Kirche.“
Die anderen rochen ebenfalls an dem Einband und Maria nickte.
„Ich habe es vom Trödelmarkt. Ich glaube, es ist ziemlich alt und es muss wohl einmal einer Nonne gehört haben.“
„Wie kommst du darauf?“, wollte Julia wissen und rutschte so lange unruhig auf ihrem Stuhl hin und her, bis sie eine bequeme Sitzstellung gefunden hatte.
„Es steht eine Widmung auf der ersten Seite.“
Das Buch wurde Julia unsanft aus der Hand gerissen, und Maria blätterte eifrig darin herum. Dann wurde sie blass.
„Wie bist du bloß auf die dumme Idee gekommen, dass dieses Buch einer Nonne gehört haben könnte?“, fragte sie Lilith.
„Sie schreibt von gemeinsamen Zeiten in einem Konvent. Schwester im Geiste - das ist doch eine Geistliche, oder? Deswegen dachte ich...“
„No, no! Falsch gedacht!“, unterbrach Maria sie. „Fällt dir an der Widmung denn nichts auf? Achte doch nur einmal auf die Namen!“
Lilith und Julia beugten sich über das Zauberbuch und stießen unsanft mit den Köpfen zusammen. Sie merkten es nicht  einmal.
Dann schüttelte Lilith den Kopf. “Der erste Name könnte aus dem Italienischen stammen. Aber  der andere?“ Sie zuckte ungeduldig mit den Schultern.
Maria blickte zu Julia, die selbstvergessen ihren schwangeren Bauch streichelte, und dann triumphierend grinste. „Der deutsche Name ist falsch geschrieben! Es muss nicht Maga Hess sondern Marga Hess heißen – es fehlt ein r! Und welche Nonne heißt schon Marga?“
Maria stöhnte und raufte sich die Haare. „Mamma mia!“
„Was soll denn schon Besonderes daran sein?“ Wollte Julia wissen.
„Der Name ist sicher nicht falsch geschrieben, darauf würde ich wetten! Denn eines weiß ich genau: Erberia Stregone ist italienisch und hat folgende Bedeutung: Erberia heißt übersetzt Kräuterfrau. So sagte man früher zu Heilerinnen, die man für Hexen hielt. Und Stregone bedeutet nichts anderes als Hexe! Ebenso war der Name Hess in Deutschland im Mittelalter ein Hexenname!“, sprudelte es aus Maria heraus.
„Woher weißt du das alles?“, fragte Lilith verblüfft.
        „Die Hexenverbrennungen war Thema eines Aufsatzes an der Uni,“ erklärte Maria ungeduldig und machte sich ungefragt an Liliths PC in der Ecke zu schaffen. Ihre Finger flogen über die Tastatur.
„Und was willst du uns damit sagen?“ Julias Augen waren fragend auf Maria gerichtet, die bereits im Internet nach Informationen suchte.
„Damit will ich sagen, dass wir es hier nicht mit Nonnen zu tun haben, sondern mit waschechten Hexen! Der Konvent war nichts anderes als ein Hexenkonvent. Wartet... Da! Ich habe etwas gefunden.“
„Lies vor!“, forderte Lilith
„Maga kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Zauberin“. Unglaublich ist das!“ Maria bewegte hastig die Maus und Lilith fragte zaghaft: „Und was ist mit dem Necro... Necrotomin...“
„Necronomicon. Das Buch der toten Namen. Das ist ganz starker Tobak! Es handelt sich um ein Buch, das vorwiegend für die Künste der Magie – besonders der schwarzen - und zur Beschwörung der Toten und Dämonen benutzt wird. Es ist voller verschlüsselter Botschaften und verborgener, magischer Anweisungen. Das Necronomicon soll über tausend Jahre alt sein. Das Original stammt aus Arabien. Natürlich ist es längst verschollen. Angeblich existieren jedoch Übersetzungen und Abschriften. Es sind verbotene Schriften, nur auserwählten, magischen Persönlichkeiten zugänglich – keine Massenware für Möchtegern-Hexen!“
Nach diesem Worterguss schaltete Maria nachdenklich den Computer aus und fuhr fort: „Selbstverständlich gibt es auch Stimmen, die behaupten, dass es sich bei dem Necronomicon nur um eine Fiktion handelt. Eine blanke Erfindung eben.“
Die Frauen starrten auf das Zauberbuch.
„Lilith“, sagte Julia andächtig „Du hast das Buch einer wahrhaftigen Hexe auf einem Trödelmarkt für den lächerlichen Preis von .... was hat es eigentlich gekostet?“
„Zwölf Euro“, murmelte Lilith mechanisch.
„... zwölf Euro gekauft“, beendete Julia ihren Satz. „Gott sei Dank waren es nicht 6,66 Euro.“
„Nein, es waren zwölf Euro“, wiederholte Lilith.
„Spielt doch keine Rolle!“, fiel Maria ihnen ins Wort. „Julia meinte es im übertragenen Sinne. Ein Scherz.“
Niemand lachte.
Maria erklärte: „Zwölf ist eine mystische Zahl. Es heißt, dass sie für die Ordnung im Universum steht. Sie verkörpert das Ganze, etwas Geschlossenes. Ein seltsamer Zufall, Si?“
Julia und Maria schauten nun mit brennenden Blicken auf das kleine Kistchen auf dem Tisch.
„Was ist noch darin?“  Maria konnte ihr Temperament nicht mehr zügeln.
Mit langsamen Bewegungen holte Lilith die restlichen Utensilien heraus und legte sie auf den Tisch: das Räucherwerk samt Schale, das Wachs, die Nadel, den Kelch, den Dolch, das Amulett.
Ihre Freundinnen keuchten.
„Verdammt noch mal, was hast du vor?“ Julia hatte beide Hände schützend auf ihren runden Bauch gelegt. „Du willst doch diesen Unsinn nicht ausprobieren?“
Maria antworte an Liliths Stelle: „Und ob sie das will.“
Julia wandte sich an Lilith. „Bist du übergeschnappt? Du glaubst doch wohl nicht an diesen Schwachsinn?“
„Es kann jedenfalls nichts schaden“, verteidigte Lilith ihr Vorhaben. „Wenn es Schwachsinn ist, funktioniert es nicht. Und wenn es klappt - umso besser!“
Maria holte sich eine Flasche Bier aus der Küche, trank einen großen Schluck und fragte: „Was soll es denn sein? Reichtum?“
„Nein.“ Lilith legte eine Kunstpause ein und holte einmal tief Atem, bevor sie antwortete: „Ein Mann. Nur ein vernünftiger Mann für mich! Ein ... ein Seelenpartner, der mir zuhört. Mit Herz und Verstand! Der mal im Haushalt mit anfasst und die Klobrille runterklappt. Die Wasserkästen schleppt und ein ausdauernder, zärtliche Liebhaber ist. Er soll treu sein und Kinder lieben. Und Katzen. Er soll nicht lästern, wie ich Auto fahre, und nicht einfach mitten in meinem Fernsehfilm zappen. Außerdem darf er nicht lachen, wenn ich im Kino heule. Er soll nicht anderen Frauen hinterher gaffen, wenn ich neben ihm sitze. Ich möchte, dass er mir zuhört und wir miteinander reden können. Ich will keine stinkenden Fürze und keine Besserwisser-Alleskönner-Sprüche ... “
„Hast du sie noch alle?“ Julia schüttete sich aus vor Lachen. „So einen würdest du noch nicht einmal bekommen, wenn du dem Teufel deine Seele verkauftest!“
„Das habe ich garantiert nicht vor, denn der Teufel ist auch nur ein Mann und würde wahrscheinlich eh alles nur vermasseln.“
Lilith schlug die Seite auf und legte sie den Freundinnen vor. „Das nehme ich lieber selbst in die Hand. Hier bitte. Mehr ist gar nicht nötig!“
Die Überschrift lautete:
Liebesmagie mit Hilfe einer Wachspuppe

Julia und Maria lasen zusammen den Text, sahen erst sich und dann Lilith an. „Heißt das, du bastelst dir eine Puppe?“, fragte Julia dann ungläubig.
„Ganz genau! Und ich werde ihr all die Eigenschaften geben, die ich mir an einem Mann wünsche und die ich nie gefunden habe! Das wird mein Traumtyp. Vielleicht ein etwas untypischer Mann, aber so stelle ich mir meinen Märchenprinzen nun einmal vor!“
Maria schaute aus dem Fenster. Die Sichel des Mondes stand hell und klar am Himmel.„Und wir haben zunehmenden Mond, nicht wahr? Du willst es heute machen“, stellte sie fest.
„Mit euch als Zeugen! Und weil ich allein mächtig Schiss habe.“
„Na bitte, wir sind hier“, meinte Julia, „worauf wartest du noch? Fang an.“
Lilith nahm eine teflonbeschichtete Pfanne und stellte sie auf den Herd. Sie legte den Klumpen Wachs hinein und schaltete die Herdplatte auf die niedrigste Hitzestufe.
Dann kramte sie einen Kerzenleuchter mit fünf weißen Kerzen heraus, entzündete sie und löschte das Deckenlicht.
„Ich glaube, ihr solltet nicht zu nahe am Tisch sitzen,“ warnte Lilith die neugierigen Frauen, als sie die Räucherschale mit dem glimmenden Venus-Weihrauch abstellte.
Plötzlich war sie ganz ruhig und ordnete die Utensilien: Feierlich hing sie sich das Amulett mit dem Pentagramm um den Hals und legte das Magische Buch so aufgeschlagen hin, dass sie gut darin lesen konnte.
Sie stellte eine Schale mit Milch und eine mit Wasser auf den Tisch. Der Kelch mit den Runen stand in der Nähe der Räucherschale und der kleine rituelle Dolch lag griffbereit daneben. Das Kerzenlicht brach sich in der scharfen Klinge und ließ auch die lange Silbernadel aufleuchten.
Maria und Julia sahen zu, wie Lilith das warme, nun leicht formbare Wachs holte. Sie trennte einen kleinen Teil ab und bearbeitete den großen Klumpen mit ihren Händen. Dabei murmelte sie den Text aus dem Buch vor sich hin: „Stelle bei zunehmenden Mond eine Figur aus Wachs her, die der gewünschten Person möglichst ähnlich sieht. Konzentriere dich bei der Fertigstellung ganz auf diese Person. Die Magie wird noch wirkungsvoller, wenn du persönliche Gegenstände der Person hast, wie ein Kleidungsstück. Füge auch Haare, Fingernägel, Blut, Speichel oder andere Träger starker Lebensenergie hinzu. Knete die odgeladenen Substanzen in das warme Wachs der Figur und rufe sie bei ihrem Namen. Hast du diese Gegenstände oder Substanzen nicht, halte dich an deine starke, reine Vorstellungskraft und übertrage sie - kraft deines Willens - in das Wachs. Verliere währenddessen nicht deine magische Konzentration!“
Fasziniert beobachteten Julia und Maria, wie der Wachsklumpen allmählich Gestalt annahm. Unter den geschickten Händen ihrer Freundin entstand schon bald eine kleiner Mann mit erigiertem Penis.
Lilith arbeitete wie in Trance. Sie formte den Kopf, bohrte mit dem Finger einen Hohlraum hinein und noch einen in den Brustkorb, dort, wo bei einem Menschen das Herz schlägt. Die Puppe war ungefähr 25 cm hoch. Lilith legte sie vorsichtig zur Seite und nahm den kleineren Wachsklumpen.
Noch einmal teilte sie ihn und fertigte ein Herz, das sie sorgfältig in die Höhlung des Brustkorbes einsetzte, bevor sie ihn verschloss. Staunend sahen die Freundinnen zu, wie Lilith das restliche Wachs durchknetete und weiter verarbeitete. Julia glaubte ein Gehirn zu erkennen.
Lilith setzte die Form in den hohlen Kopf der Puppe.
Nun formte sie kleine, längliche Gebilde und ritzte in jedes einzelne mit der Nadel etwas ein. „Liebe. Treue. Ehrlichkeit. Verständnis. Zärtlichkeit. Sensibilität. Ordnungssinn“,  flüsterte sie. „Dies seien die Träger der Eigenschaften, die mein Seelenpartner haben soll.“ Auch diese Klümpchen wurden in den Puppenkopf gesteckt, ehe sie ihn sorgfältig zudrückte.
Liebevoll modellierte Lilith Gesichtszüge in das flache Antlitz. Eine gerade Nase, große Augen, einen schön geschwungenen Mund. Das Gesicht wirkte auf unheimliche Weise lebendig.
Dann fing sie wieder zu sprechen an: „Halte die Wachsfigur mit deiner linken Hand über die Räucherung, schlage mit der rechten Hand ein Petragram darüber. Tue dies fünfmal.“ Sie tat es, schloss die Augen und rezitierte:
„Ich weihe dich, du bist mein Seelenpartner!“
Sie legte das Wachsmännlein zurück auf den Tisch, stellte den Kelch vor sich und nahm den rituellen Dolch. Lilith zögerte kurz und schnitt sich dann mit einer schnellen Bewegung quer über das linke Handgelenk.
Das Blut ließ sie in den Kelch tropfen, bis die Wunde aufhörte zu bluten. Sie goss Wasser und Milch dazu und trug das Gefäß in den Garten.
Die Freundinnen folgten ihr. Sie sahen zu, wie Lilith niederkniete und die Puppe mit bloßen Händen in der weichen Gartenerde vergrub. Langsam erhob sie sich, goss den Inhalt des Kelches über das Grab und sprach dabei: “Blut und Milch auf diesem Grab, machen meinen Seelenpartner stets zu meinem Sklav´!“
In der Ferne grollte ein Unwetter. Bald würde es regnen. Ein greller Blitz zuckte am Horizont, ein dumpfes Donnern folgte. Sturmwolken jagten über den Nachthimmel. Die Luft vibrierte und schien elektrisiert. Einige Haare standen, wie unter Strom, um Liliths Kopf herum. Stumm schlug sie ein weiteres Pentagramm über dem Puppengrab.
Wie bei einer Beerdigung waren sie andächtig schweigend beisammen. Ein jäh aufkommender Wind, der ein Wispern und Raunen mit sich zu tragen schien, ließ sie frösteln. Julia griff nach Marias Hand und ließ sie nicht mehr los. Lilith erschien ihr in diesem Augenblick fremd. Der Himmel glühte – oder war es nur das Wetterleuchten?
Zwei goldene Augen starrten ihnen aus einem großen Busch entgegen, leise brachen kleine Zweige unter einem unsichtbarem Gewicht. Es raschelte und Maria konnten einen Schreckenslaut nicht unterdrücken, als sie endlich Liliths Kater erkannten.
Gandalf schlich neugierig heran, schnupperte und begann dann eifrig in dem kleinen Hügel zu buddeln. Sein lautes Schnurren war nicht zu überhören.
„He, Gandalf, spinnst du? Mach sofort, dass du wegkommst“, schimpfte Lilith. Der Graue maunzte beleidigt und trollte sich.
Der Bann war gebrochen! Unter nervösem Gelächter kehrten die drei ins Haus zurück. Lilith wusch sich die Hände und die Freundinnen schwatzten, während sie aufräumten.
„Und?“, wollte Julia wissen, „was geschieht jetzt?“
„Ich lese es euch vor.“ Maria nahm das Buch. „Lass die Figur bis zum nächsten Vollmond begraben. Dann, eine Stunde vor Sonnenuntergang, grabe sie aus. Dabei sprich die folgenden Worte:

`Du hoher Mond, du scheinst so bleich,
verleih heut Nacht den heil´gen Segen gleich,
dem rituellen Bitten und Beten dir,
meines Seelenpartners Herz zu füll`n mit Lieb zu mir.´

Setze die Figur sieben Tage lang regelmäßig Venus-Weihrauch aus. Dabei sprichst du folgende Worte:

Die Figur wird durch die gleiche Hitz verbrannt,
die auch mein Herz bei jedem Schlag erwärmt!´

Nach dieser Woche bohrst du eine silberne Nadel tief in das Herz der Figur, dabei konzentrierst du deine Gedanken auf die Person. Zum Abschluss stellst du die Wachsfigur auf das Fensterbrett, wo sie nachts dem Mond ausgesetzt ist – solange, bis der Zauber eingetreten ist.“
Sie schlug das Buch mit einem Knall zu. Ihre Freundinnen zuckten zusammen.
„Bellissima, so lange Zeit habe ich nicht!“ Maria lachte unsicher. „Und ich habe für heute genug von mystischen Dingen! Ich glaube, ich fahre jetzt nach Hause!“
Sie erhob sich und Julia tat es ihr gleich.
„Maria hat Recht. Ich werde mich auch verdrücken. Das muss ich erst mal verdauen.“
Obwohl Lilith enttäuscht war, hielt sie die beiden nicht auf. Sie umarmten einander und verabschiedeten sich.

Es war der 1. Mai. Sechs Wochen waren seit dem Zauber vergangen. Sechs Wochen, in denen sich Lilith weder bei Maria noch bei Julia gemeldete hatte. Aus gutem Grund. Sie hatte Alex getroffen!
Heute saß Lilith auf der Terrasse, genoss die Sonnenstrahlen und betrachtete zufrieden ihre langen, gepflegten Fingernägel.
Gandalf räkelte sich in der Sonne, genau dort, wo das Grab der Wachspuppe gewesen war. Lilith musste schmunzeln. Der Kater hatte damals offensichtlich noch einmal in der lockeren Erde gegraben, denn als Lilith die Puppe aus dem Erdloch holte, fehlte dieser der Penis. Gandalf musste ihn abgerissen haben. Sie hatte das Ding nicht wieder gefunden.
Noch einmal überprüfte sie die für vier Personen gedeckte Kaffeetafel mit dem großen Strauß Frühlingsblumen in der Mitte. Heute war ein besonderer Tag! Sie würde ihren Freundinnen Alex vorstellen.
Julia traf zuerst ein.
        „Du meine Güte“, staunte Lilith „du bist ja so was von schwanger! Lass dich einmal ansehen.“ Sie lachte gutmütig. „Du siehst wunderbar aus!“
„Nur noch zehn Tage, dann ist meine Tochter da“, erwiderte Julia mit einem breiten Grinsen, watschelte auf Lilith zu und umarmte sie so herzlich, wie es ihr Leibesumfang zuließ.
„Scusi, störe ich, ragazzi?“
„Maria! Rede keinen Blödsinn und lass dich drücken!“
Endlich, nach vielen Umarmungen und übermütigen Grußworten, saßen sie am Kaffeetisch. Julia bemerkte das vierte Gedeck und fragte: „Du erwartest noch Besuch?“
Lilith hob ihre Augenbrauen und nickte vielsagend.
„Jemand, den wir kennen?“, wollte Maria wissen.
„Nein, noch nicht. Ein neues Gesicht. Alex ist ...“
„Alex heißt die neue Liebe?“, unterbrach Julia.
„Ja. Und Alex wird jeden Moment hier sein. Ich habe euch etwas früher eingeladen, weil ich euch von Alex erzählen wollte. Also, Alex ist ...“
„Groß, schlank, gutaussehend und sexuell ausdauernd“, vollendete Maria den Satz.
Diesmal wurde Lilith knallrot, bevor sie antwortete: „Ja, das stimmt. Aber Alex ist auch ...“
„Liebevoll, verständnisvoll, ordentlich und humorvoll“, fiel Julia ihr ins Wort. „Genauso, wie du dir deinen Partner gewünscht hast. Oder nicht?“
Sie nahm einen Schluck Kaffee und betrachtete amüsiert die verlegene Lilith.
„Stimmt genau! Und ich habe mich noch nie so wohl gefühlt! Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, einen wirklichen Partner zu haben. Ich kann einfach ich selbst sein. Einfach nur Lilith! Ich bin sehr glücklich und verliebt, das sollt ihr wissen! Das mit Alex und mir ist wirklich etwas ganz Besonderes.“
„Glaube mir, Bellissima, das denken alle Menschen am Anfang einer Liebe.“ Maria stopfte sich ein Stück von dem Erdbeerboden mit Sahne in den Mund.
„Du hast Recht! Ich meine ja auch nur, dass Alex ...“
„Was ist mit dem Klodeckel?“ Julia kicherte.
„Alex pinkelt im Sitzen. Das mit dem Klodeckel ist überhaupt kein Problem. Alex kann übrigens auch sehr gut kochen, weil ...“
„Bene, das ist nun wirklich mal eine gute Nachricht! Wenn ich an deine letzte Lasagne denke!“ Maria zog eine Grimasse.
“Ich habe andere Qualitäten“, verteidigte Lilith sich. „Und was ich noch über Alex sagen wollte ...“
„Alex, Alex, Alex! Gleich ist Alex hier, dann werden wir selber urteilen. Wie sonst auch, va bene?“, fragte Maria.
In diesem Moment bog eine schwere Harley in die Straße und fuhr langsam an den Gartenzaun heran. Die Maschine wurde ausgestellt und auf den Ständer gebockt.
„Das ist Alex.“ Lilith Augen leuchteten. Sie sah der großen, schlanken Gestalt erwartungsvoll entgegen. Alex nahm den Helm ab, wuselte sich einmal durch das kurze, dunkle Haar und kam auf sie zu.
Maria und Julia saßen regungslos da.
Alex küsste Lilith liebevoll auf die Stirn, dann stellte Lilith vor: „Das hier sind meine allerbesten Freundinnen. Maria Rizzo und Julia Berg. Und das hier ist meine neue Liebe. Mein Märchenprinz“, sie grinste. „Darf ich vorstellen: das ist Alexandra Köhler. Sie ist Köchin von Beruf.“
„Hallo“, sagte Alexandra unbekümmert und schüttelte erst der sprachlosen Julia und dann der nicht minder erstaunten Maria die Hand. “Nennt mich einfach Alex, okay?“

Der 21. Dezember war da und damit Liliths Geburtstag.
Die ersten, weichen Schneeflocken des Winters tanzten in der kalten Luft und überzogen alles mit einem zaghaften Schleier.
Mit Blumen und Geschenken beladen, standen Maria und Julia pünktlich zum Geburtstagsessen vor Liliths Wohnungstür. Eben wollte Julia auf den Klingelknopf drücken, da zischte Maria: „Schscht! Uno Momento! Hör mal... .“
Das Flurlicht erlosch. Die zwei standen in der Dunkelheit und lauschten den gedämpften Stimmen hinter der Tür.
„Verdammt, Lilith! Wieso hängen sämtliche Jacken, die du besitzt, an der Garderobe?“ Das war eindeutig Alex.
„Weil ich sie anziehe“, kam es mürrisch zurück.
„Doch nicht alle! Hänge die anderen in den Schrank, wo sie hingehören. Wo sollen denn unsere Gäste mit ihren Mänteln hin?“
„Da, wo sie sie immer hintun. Auf das Bett.“
„Spinnst du? Räum sie sofort in deinen Schrank!“, maulte Alexandra ungehalten. „Und dann hilf mir, den Tisch zu decken.“
Julia kicherte verhalten. „Eine ähnliche Diskussion hatte ich gestern mit Frank.“
„Scht!“, machte Maria erneut.
„Übrigens, Frau Superordnung“, hörten sie nun Liliths spöttische Stimme „was ist mit deinen Quadratlatschen, die hier herumstehen? Soll man darüber fallen, oder was?“
Wieder musste Julia leise lachen und erhielt einen ungeduldigen Knuff von Maria.
„Schon gut! Ich räume sie weg.“ Man hörte verhaltenes Rumoren. „Denk bitte an das Altpapier. Es stapelt sich schon und ich war letzte Woche dran.“
„Meine Güte“ fauchte Liliths „jetzt reicht es mir! Ich werde es erledigen. Gleich morgen! Versprochen.“ Und dann, schon ein wenig freundlicher: „Und jetzt lass uns endlich aufhören zu meckern, schließlich ist heute mein Geburtstag!“
„Si, das stimmt“, flüsterte Maria und drückte auf den Klingelknopf. „Das ist  typisch Mensch! Wir sind nie so ganz zufrieden!“