Inhaltsverzeichnis Kurzgeschichten / Spannung

Momentaufnahme

Auf einer Kunstausstellung, Herbst 2007

Das Bild liegt auf dem Boden.
Es ist ziemlich groß, Öl auf Leinwand, und die Darstellung wirkt erschreckend real. Ohne die Pinselstriche und Unebenheiten in den Farbschichten hätte ich es für eine Fotografie gehalten – obwohl es besser ist als jedes Foto, das ich je gesehen habe, viel lebendiger, realer!
Allein die Perspektive vermittelt einem das Gefühl, in der Person auf dem Bild zu stecken, die Person zu sein, von der nur nackte Füße und Jeans zu sehen sind.
Sie steht am Rand eines schmutziggrauen Flachdaches, wie am Abgrund einer Steilwand, und schaut in die Tiefe.
Auf dem Gelände der Industriebrache verfallen Hallen und Gebäude mit blinden oder zerschlagenen Fenstern. Graffitis verunzieren die Wände. Durch den Asphalt bricht die Natur: Flechten, Löwenzahn, Disteln und Birkenschösslinge überziehen das Grau mit einem grünen Vlies.
Ich spüre förmlich, dass die Abendluft noch die Hitze des Tages atmet, rieche Brennnesseln, Ginster und alten Diesel.
Ein Stern glänzt im Westen. Der Mond fräst eine üppige Sichel in das tiefe Lavendelblau des Himmels und gießt sein Licht über die Schattenrisse auf dem Teerboden. Es ist, als schaute ich aus schwindelnder Höhe auf das Etwas da unten.
Ich taumele zurück und mein erster Gedanke ist: „Mein Gott! Wie kann ein Mensch nur so malen?“
Mein zweiter, wie dieses Bild heißt und welche Geschichte es erzählt.

 

LESEPROBE!
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