Inhaltsverzeichnis Kurzgeschichten / Alltag

Gilda mit den Rattenschwänzen

Zuerst schaffe ich es nicht, zu Gilda hinzusehen.
Ich stehe da, mit hängenden Schultern und will einfach nur weinen.
Mein Herz liegt schwer in dem zu engen Brustkorb - und doch weiß ich, dass ich es tun muss.
Davor habe ich Angst.
Nach Minuten, die sich endlos dehnen, wende ich langsam den Kopf, hebe die Lider und schaue in den hellen Sarg.
Gilda trägt die Sachen, die ich Frau Wehner vom Beerdigungsinstitut gegeben habe: ihre Lieblingsjeans, das rosa Millefleurs-Shirt, dazu die Riemchensandalen, und doch sieht sie ganz anders aus. Irgendwie fremd.
Schuld daran ist diese Frisur.
Gildas flusiges, honigfarbenes Haar legt sich jetzt in sanften Wellen um ihr rundes Gesicht, als wäre sie ein Kinderengel aus der Renaissance. Es schimmert unnatürlich, beinahe wie poliertes Kupfer.
Unwillkürlich strecke ich die Hand aus und streichele darüber. Es fühlt sich eigenartig hart an, nicht flaumig wie ich es kenne.
„Was haben Sie mit ihrem Haar gemacht?“, frage ich Frau Wehner.

 

BISHER UNVERÖFFENTLICHT.
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